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Die Freiheit über den Wolken

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Toni´s Verletzungen

Plötzlich kam Toni unser „El Presidente“ ganz bleich angewackelt. Er hatte unter den Tragflächenstreben gearbeitet und sich beim Aufstehen den Kopf an einer Schraube verletzt. Dabei fing er sich eine etwa 7 cm lange Rissquetschwunde ein. Das sah übel aus. Eigentlich sollte das Ding genäht oder geklammert werden. Reini ist Gott sei Dank Arzt und sah sich die Wunde an. Er fragte alle nach Nadel und Faden. Leider hatte keiner ein Nähzeug dabei. Toni sagte kein Wort, aber man sah, dass ihm ein Stein vom Herzen gefallen war. Offensichtlich hat ihn die Idee, dass Reini ihn mit dem Garn zum Hosenstopfen ohne Betäubung seinen Kopf zusammen näht, gar nicht so gefallen.

 


Zum Glück tauchte Salvatore, der Flugplatzbesitzer, auf und bot sich an, mit Toni zum nächsten Krankenhaus zwecks Wundversorgung zu fahren. Reini erklärte sich bereit mitzufahren und notfalls als Dolmetscher und medizinischer Sachverständiger unserer Gruppe zu fungieren. Reini berichtete nach der Rückkehr zur Gruppe ausführlich und theatralisch über Toni´s „Behandlung“:

 

Das Hospitale erinnerte mehr an ein Gefängnis; dunkle Wände, vergitterte Fenster und allerlei Ungeziefer bevölkerte die düsteren Mauern. Sie wurden in einen Behandlungsraum geführt, wo eine Medizinerin mit Kleinwuchs auf sie wartete. Toni musste sich auf die Behandlungspritsche setzen. Die Ärztin war aber so klein, dass sie nicht bis auf den Kopf sehen konnte. Also musste sich Toni hinlegen. Auch von hier war die ideale Behandlungsposition nicht gefunden. Schließlich saß Toni auf dem Boden und die Ärztin konnte endlich die Wunde begutachten. Als erste Handlung nahm sie einen Tupfer getränkt mit Desinfektionsmittel, reinigte die Wunde und presste den Tupfer mehrmals von oben auf die Verletzung. Toni wurde jedes mal ein wenig kleiner und jammerte dabei lautstark. Die Ärztin ließ sich aber nicht beirren und drückte ohne hin zu sehen immer fester auf die Wunde und unterhielt gleichzeitig mit Reini und Salvatore. Sie ließ erst von Toni ab, als dieser umzufallen drohte und meinte: „Mir isch schlecht!“. Toni musste sich also wieder auf die Pritsche legen und die Ärztin nahm den Blutdruckmesser und meinte nach der Messung: „Passo!“. Reini sah auf die Anzeige: 70 zu 45 ja, das war wirklich etwas niedrig. Bald drückte die Ärztin wieder von oben mit dem verhassten Tupfer auf Tonis Wunde. Dieser meinte nur: „Muss speiben!“. Nachdem ihr Toni´s Anliegen übersetzt wurde, verließ die Ärztin fluchtartig das Zimmer. Reini sah sich um und räumte eine metallene Schale, um sie Toni beim Erbrechen unter halten zu können. Als er sich jedoch wieder Toni zuwandte, war dieser von der Liege gestürzt und wurde von einer Art epileptischen Anfall geschüttelt. Salvatore und Reini hoben Toni wieder auf die Liege und die Ärztin griff zum Telefon und alarmierte die Ambulancia um Toni sofort zu einer intensiv-medizinischen Einrichtung verlegen zu lassen.


Nach etwa 10 Minuten des Wartens war Toni wieder bei Bewusstsein und die Ambulancia noch nicht gekommen. Daher wurde sie wieder abbestellt. Das machte denen gar nichts aus, da sie wahrscheinlich sowieso noch nicht losgefahren waren. Da es in diesem Hospitale keinerlei Behandlungsmittel außer der Desinfektionslösung, die Toni fast umbrachte, gab, graste man etwa 50% aller sardinischen Apotheken ab, ohne eine mit Notdienst finden zu können. Schließlich gab man auf und hoffte, dass Toni am nächsten Morgen noch leben würde, um ihn dann mit Mitteln aus einer Pharmacia behandeln zu können.

 

 

Rundflug Sardinien
Am nächsten Tag, Toni war übrigens noch immer am Leben, beschlossen wir einen Rundflug um ganz Sardinien und wollten uns dann in Stintino am nordwestlichen Zipfel von Sardinien wieder treffen. Salvatore telefonierte mit dem Flugplatzbetreiber, damit uns dieser schon erwarten konnte.

 


Als dann alles klar war, ging´s los. Also „rein den Nagel“ und rauf in den tiefblauen Himmel. Anfangs dachten wir, dass wir die schönste Ecke der Insel schon gesehen hatten - aber da sollten wir uns täuschen. Während die Anderen auf Höhe gingen blieben wir im unteren Stockwerk und genossen die Aussicht aus der Nähe.
Dabei flogen wir fast jede Bucht aus und sausten in ruhiger Luft über menschenleere Strände. Das Steuern der Maschine ist in der ruhigen Luft bei leichtem Seewind ein Kinderspiel, und so kann man sich recht gut auf die Schönheit der Schöpfung in diesem Teil der Erde konzentrieren. Niemals hätte ich geglaubt, dass es soviel Schönheit auf einem Fleck überhaupt gibt.

 

 

Nur wenige Menschen waren zu sehen, und diejenigen, die schon am Strand waren, winkten dem im Tiefflug vorbei brausenden Flugzeug zu. So mancher mochte sich gewünscht haben, in meiner Maschine zu sitzen. Aber um Nichts auf der Welt würden wir mit einem „Strandhocker“ tauschen wollen. Nach jeder Bucht kam eine noch schönere. Als wir meinten, schon genug wunderschöne Sandstrände mit weißem Sand, der von kristallklarem, türkisem Wasser umspült wurde, bewundert zu haben, wurde die Küste felsiger.
Aus den Kalksteinfelsen hatte das Meer in Jahrtausenden Höhlen herausgespült, in die das Licht reflektiert durch das türkise Wasser eine zauberhafte Stimmung zeichnet. Interessant ist hier auch, dass sich die steilen Felswände nicht unter Wasser fortsetzen, sondern ebenfalls ein weißer Sandgrund für eine schöne Wasseroptik sorgt.

 

 

Kurz nachdem wir uns an dieser Landschaft satt gesehen hatten, wechselte der Charakter grundsätzlich: Rote Felsen wurden umsäumt von türkisem Wasser und überwuchert mit grüner Vegetation. Der Schöpfer hatte hier wahrlich nicht mit Farben gespart. Das Besondere aber an Sardiniens Küste ist, dass es nur wenige Ortschaften direkt am Meer gibt. Daher erscheinen fast alle Strände so unberührt.

 

 

Ganz im Süden gibt es dann einige imposante Hotelanlagen nicht weit hinter den weißen Stränden. Die sandigen Buchten werden hier von felsigen Nasen durchbrochen. An einigen Stellen deuten in Reih´ und Glied aufgestellte Liegestühle auf eine intensivere touristische Nutzung hin.

 

 

Die Bucht von Cagliari im Süden Sardiniens wird von uns großzügig abgekürzt, um die Kontrollzone und den Anflugvektor des Flughafens zu umfliegen.
Im Südwesten befindet sich ein militärisches Flugverbotsgebiet, dass wie alle Anderen wohl nur wochentags in Betrieb ist. Ich nahm an, dass es am Pfingstmontag wohl geschlossen sein müsste und eine gefahrlose Durchquerung möglich sei. Aber Salvatore hatte uns beim kurzen Briefing extra davor gewarnt. Also blieben wir vorsichtig und stiegen langsam höher, um das Verbotsgebiet über Land umfliegen zu können. Wie zur Bestätigung blitzte es plötzlich auf und ein ca. 30 m hoher Rauchpilz bildete sich. Anscheinend war ein stärkerer Sprengkörper wie etwa eine Fliegerbombe oder eine Granate größten Kalibers gezündet worden.
Im Westen der Insel wurden die ausgedehnten Strände seltener, aber die unterschiedlichsten Gesteinsformen zeugten von einer bewegten Vergangenheit der Insel. Dunkles rotbraunes Basaltgestein eines Vulkanausbruchs überlagerte mancherorts die vorherrschenden Kalkfelsen, die ihrerseits die unterschiedlichsten Farben von weiß bis grün und graublau annahmen.

 

 

Ganz im Nordwesten ragt eine große Halbinsel weit in das Mittelmeer hinaus. Darauf befindet sich der kleine Touristenort Stintino. Etwa 4 km südlich davon liegt unser Zielflugplatz. Er ist so neu, dass er noch in keiner Karte verzeichnet ist. Ich hoffte nur, dass alle anderen schon dort sein würden und ich aufgrund der parkenden Flugzeuge den Platz auch finden könnte.

 


Tatsächlich war der Platz nur durch die drei Flugzeuge unserer Gruppe erkennbar. Ein Seitenwind mit etwa 7 Knoten machte den Anflug trotz Hindernisfreiheit nicht ganz so einfach. Aber die Piste ist lange und relativ eben. Der Lehmboden war durch die Sonne steinhart gebacken. Dadurch stieß der Versuch Grundanker einzudrehen an seine Grenzen. Also banden wir die Maschinen einfach an dem luvseitigen Zaun fest.

 

 

Unsere italienischen Freunde des hiesigen Aeroclubs erwarteten uns bereits mit zwei Autos. Zuerst musste einmal jede Menge Sprit herangekarrt werden. Am nächsten Tag wollten wir direkt heim fliegen und höchstens in Bolognia einen Tankstopp einlegen. Das Heranschaffen des Treibstoffs war nicht ganz so einfach: Zuerst mussten die ersten zwei Kilometer über eine Sandpiste am Strand entlang überwunden werden. Tiefe Löcher bei denen wegen der trüben Schlammbrühe, mit der sie gefüllt waren, kein Boden erkennbar war zwangen die Fahrzeuge immer wieder auf noch zweifelhaftere Ausweichrouten durch den sandigen Boden. Aber unsere italienischen Fliegerfreunde schienen einige Erfahrung mit diesem Weg zu haben und meisterten die Strecke insgesamt vier mal.


Als schließlich alle Maschinen versorgt und verzurrt waren, brachte man uns nach Porto Torres. Die Fahrt dort hin dauerte eine gute halbe Stunde und ich wunderte mich, wieso wir nicht einfach dort hin geflogen waren. Auch dort gibt es einen kleinen Flugplatz.


Stintino wäre eigentlich das Ziel meiner Wahl gewesen. Ganz in der Nähe des Flugplatzes gelegen hätte es als verschlafenes Touristenstädtchen wohl eher meine Vorstellungen getroffen. Leider hatten meine Kollegen den Italienern erklärt, dass wir schon um sieben Uhr morgens abfliegen wollen. Da das für jeden richtigen Sarden erst ganz kurz nach Mitternacht ist wäre unsere einzige Möglichkeit zum Platz zu kommen ein Taxi. Leider gibt es in Stintino keines und so war man gezwungen uns nach Porto Torres zu karren. Außerdem wurde dort gerade eine der üblichen Dreitagesfesta gefeiert und es war daher ordentlich was los.
Wir brauchten nur wenige Minuten zum Einchecken in das Hotel und stürzten uns kopfüber ins Getümmel. Alle Straßen zum Hafen waren gefüllt mit Verkaufsständen und gesäumt von Bühnen und anderen Plätzen mit Live-Darbietungen.

 


Wir ließen uns durch die Woge von Menschen, die Richtung Hafen strömte, mittragen. Von allen Seiten wirkte eine ungeheure Reizflut auf uns ein: Die bunten Stände mit ihren Produkten aus aller Herren Länder (vor allem natürlich Made in China), die Musik und die Händler, die ihre Waren teilweise lautstark anpriesen, die Gerüche hauptsächlich in der Nähe der zahlreichen Essens und Zuckerbäckerstände und der permanente Kontakt mit einer Vielzahl von Einheimischen, die sich mit uns durch die engen Gassen schieben ließen und das alles sichtlich genossen. So blieben nach dem unglaublichen Erlebnisflug rund um Sardinien unsere Nerven ganz ordentlich auf Trab.

 

Nach dem Abendessen und einem gemütlichen Bierchen am Hafen teilten wir uns in Gruppen unterschiedlicher Interessen auf und stürzten uns ins Nachtleben. Die Dunkelheit hüllte das ganze Geschehen in eine eigentümlich anregende Stimmung. Endlich war auch der Kaufdrang so stark, dass ich mich auf die Suche nach Mitbringseln für den Rest der Familie machen konnte. Tagsüber wurde dieses Gefühl noch von dem Wissen unterdrückt, dass ich jedes erworbene Stück mit mir rumschleppen müsste.
Als wir uns dann dem Gebiet näherten, in dem wir unser Hotel vermuteten, stellten wir fest, dass es auch Nachteile gibt, wenn es in einer ruhigen Seitengasse liegt. Alle Nebengassen sehen in Italien nachts ganz ähnlich aus. Da ich langsam zweifelte, es wieder zu finden, fragte ich die anderen, ob sie den Namen des Hotels noch wüssten. Aber wir hatten so rasch eingecheckt, dass sich keiner mehr an den Namen erinnern konnte. Ich dachte bereits an eine unbequeme Nacht auf einer Parkbank als wir eine der Gassen wieder erkannten. Noch zweimal um die Ecke und wir waren bei unserem Hotel.


Nun ging es darum, im Akkord zu schlafen, da wir schon um fünf Uhr morgens wieder aufstehen mussten. Zuerst war aber an Schlaf nicht zu denken. Aber kaum hatten sich meine schweren Augenlider geschlossen, schrillte die Weckfunktion meines Handys unerbärmlich. Anfangs glaubte ich noch an eine Fehlfunktion, aber auch auf meiner Armbanduhr stand der kleine Zeiger auf der Fünf. Also kämpften wir uns mühsam aus den Federn und hinein in die Klamotten.