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Die Freiheit über den Wolken

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4. - 9 . 9. 2005 Flugausflug Nordsee-Ostsee-Riga

 

 

 

4. September: Zuerst einmal flog ich von Graz nach Gmunden, um mich mit Reini zu treffen. Wir hatten vereinbart, für ein paar Tage irgendwohin zu fliegen. Wohin? - Diese Entscheidung trifft aber keiner von uns beiden. Kaum gelandet, klemmten wir uns hinter den nächsten PC mit Internetverbindung und sahen nach, welchen Kurs “Petrus” denn so für uns vorgesehen hätte.  
Wir bevorzugen wärmere, sonnige Gebiete, wie sie im Süden Europas zu finden sind. Die endgültige Entscheidung trifft aber der Wettergott. Als Flieger ist man den Elementen weit stärker ausgeliefert, als es allgemein angenommen wird.
Deutlich konnten wir ein Tief über Spanien ausmachen, das unseren Reiseplänen in den Süden einen ordentlichen Strich durch die Rechnung machte. Nach Norden und Osten sah es gut aus, also überlegten wir nur kurz, wen wir in dieser Rich- tung kennen und heimsuchen können. Sofort hatte Reini die Idee, einen Freund in Bremen zu besuchen.
Wenn man in Flugrichtung jemanden gut kennt, ist das immer ein Anreiz, da man auf Mobilität und Unterkunft am Landeplatz hoffen kann. Also meldeten wir dem Tower “Erbitte Startinformationen für einen Sichtflug nach Scharnhorst bei Bremen”. Durch Deutschland fliegen ist manchmal fad. Wir sind durch unsere Berge verwöhnt. Die deutschen Berge wären bei uns bestenfalls höhere Hügel. Befriedigung über die Art unserer Fortbewegung kam aber stark auf, als wir die überfüllten Autobahnen sahen. Unten herrschte vielleicht noch Rückreiseverkehr mit nervigen Staus. Hier oben brausten wir direkt und mit 200 Km/h dahin.

 

Mit leichtem Rückenwind ging es aber relativ rasch. Schon nach dreieinhalb Stunden berührte unser Fahrwerk wieder den Boden. Nach der Landung in Scharnhorst bei Bremen die erste große Überraschung: "Landegebühr? - Nee, bei uns hier ist alles frei." Und das Bier für Piloten kostete nur einen Euro. So verging auch die Wartezeit auf unser Taxi nach Bremen wie im Fluge.
Am Abend lernte ich beim Spaziergang die Bremer Stadtmusikanten kennen. Relativ bald danach sank ich müde ins Bett und phantasierte über die Abenteuer des kommenden Tages. Wir hatten vor, die Inseln der Nordsee zu erkunden.

 

 

Am nächsten Morgen waren wir schon früh am Flugplatz. Noch stand nicht exakt fest, wohin es denn gehen soll. Unsere Vorstellung war, erstmals nach Norden zur Nordsee zu fliegen und das Wattenmeer und die Nordseeinseln abzuklappern. Ein Fliegerkollege aus der Gegend riet uns, Juist anzufliegen. Also gingen wir in die Luft und hielten uns nach Norden. Vorbei an Hamburg zur Elbemündung und weiter Richtung Sylt. Strand, Sandbänke und flaches Land wechseln einander ständig ab. Das Wattenmeer beheimatet einige Vogelschutzgebiete in denen man Mindesthöhe und -abstand einhalten muss. Was Reini mittlerweile auch weiß.
Nach ausgiebiger Störung der heimischen Fauna geht´s über Langeneß zurück zur Küste und wieder südwärts. Hinweg über Elbe und Weser  weiter über die westlichen Inseln. Wangeroge, Siekeroog, Langeoog, Baltrum, Nordeney und Juist. Auf Juist landeten wir gemäß der erhaltenen Empfehlung. Vom Flugplatz aus brauchten wir nur wenige hundert Meter durch die Dünen zum Strand gehen.

 

 

Ostsee - Polen - Danzig
6. September: Wir nahmen Abschied vom freundlichen Flugplatz Scharnhorst. Aber zuerst mussten wir noch an einer normalen Tankstelle etwa 80 Liter Superbenzin in unsere mitgebrachten undichten Falttanks füllen. Ich sah Reini´s Freund erbleichen, als wir die tropfenden Kanister in den Kofferraum seines gepflegten BMW´s hoben. Danach hatte er es fast eilig, uns wieder loszuwerden.
Wir waren auch bald schon flugklar und schraubten uns unter lautem Röhren unseres Triebwerks in den blauen Himmel. Ich meinte fast den Seufzer der Erleichterung hinter uns am Boden zu vernehmen.
Wieder einmal bestimmte Petrus unseren Kurs. Über Frankreich hatte sich eine Kaltfront formiert. Uns blieb also nur der Osten. Am unteren Tieffluglimit ging es Richtung Lübeck direkt an die Ostsee. Von da an tingelten wir der Küste entlang Richtung Polen.

 

 


 

 

Peenemünde - zur Nazizeit Versuchsgelände der Luftwaffe, zur DDR-Zeit Stützpunkt für die MIG´s der NVA. An diesem Tag - Landepunkt für unsere Mittagspause. Am Funk meinte eine nette Lady, sie empfehle eine “lange Landung”. Die Piste sei zweieinhalb Kilometer lang und der Taxiway befindet sich am anderen Ende. Also war die Landebahn mehr als 10 mal so lang, wie unsere Landestrecke. Das “Flugplatzresti” hat noch jede Menge DDR-Charme zu bieten. Alle Gebäude scheinen noch von den Nazis errichtet und seither nur notdürftig saniert worden zu sein.

 

 

 

Nach dem Essen hatten wir keine Lust auch noch das Museum zu besuchen und kletterten daher bald wieder in unsere Kiste. Wir hatten uns vorgenommen ein kurzes Stück nach Heringsdorf an der polnischen Grenze weiterzufliegen und unsere Fühler auszustrecken, ob es eventuell auch die Möglichkeit gäbe, nach Polen weiterzufliegen.
Am Flugplatz Heringsdorf meinten die Kollegen, dass es da keine gröberen Probleme geben werde. Auf die Frage wohin in Polen, meinten sie, dass alle immer nach Danzig fliegen würden. Danzig liegt von dort aus gesehen am anderen Ende von Polen und es war immerhin schon nach 17 Uhr. Eine kurze Berechnung der Distanz ergab, dass wir es knapp vor Sonnenuntergang schaffen konnten. Also gaben wir den Flugplan auf und warteten auf die Zollabfertigung. Danach starteten wir um 17:45 mit einiger Verspätung Richtung Danzig.

 


Vom Start weg bis zur polnischen Grenze übten wir “Swinouj´sci” (polnischer Name von Schweinfurt) korrekt auszusprechen. Die deutschen Controller hatten uns gewarnt das deutsche Wort zu benutzen. Bei der Positionsmeldung an der Grenze kam dann unser “Swino..da.da.da” und wurde anstandslos akzeptiert. Von da an “lernten” wir immer nur die ersten Silben der unaussprechlichen polnischen Ortsbezeichnungen und ließen den Rest in ein unverständliches Gemurmel übergehen.  
Die Ostseeküste läuft in Polen gleich weiter. Sie ist nur viel leerer und dahinter gibt es auch viel mehr Gegend und weniger Ortschaften. Etwa auf halber Strecke riss der Funkkontakt ab. Wir waren ganz froh über die Ruhe und suchten daher die nächste Funkverbindung erst knapp vor Danzig direkt mit dem Tower.

 

 

Das letzte Stück vor Danzig flogen wir abkürzend quer über Land. Etwas ärmere und schwächer besiedelte Gegenden wurden unter uns durchgezogen.
Besorgt richtete ich immer wieder den Blick zurück gegen Westen, da die Sonne schon recht tief stand.
Am Flughafen Danzig schien es bei unserer Ankunft gerade etwas ruhiger zu laufen. Wir durften gleich direkt in den Endanflug übergehen. Kaum am Boden, fanden sich sofort zwei Bewaffnete bei unserem Flugzeug ein und warteten geduldig bis wir ausgestiegen waren.
Kaum schlossen wir die Haube, wurde alles versiegelt. Sogar die Öl-Einfüll-Klappe an der Cowling bekam ein Pickerl. Noch heute ärgere ich mich, wenn ich die Klebstoffreste dieser sinnlosen Aktion am Flugzeug sehe.
Wir dackelten etwas knieweich zum General Aviation Center hinüber. Immerhin sind wir, von zwei kurzen Pausen abgesehen, den ganzen Tag im Flugzeug gesessen und dabei quer durch Norddeutschland und Polen geflogen.
Wir wunderten uns ein wenig über die Dimension dieses Flug- hafens. So eine große Anlage hätten wir nicht erwartet. Vor der Halle nahmen wir ein Taxi und ließen uns in ein bescheidenes Quartier am Stadtrand bringen.
Von dort fuhren wir gleich weiter in die Altstadt und machten uns sofort auf die Suche nach einer geeigneten “Futterstätte”. Da die Restaurantpreise in Polen noch moderat waren, konnte es eines der besseren Lokale sein. Wenn man sich dann an einem solchen Tag nach einem Superessen endlich entspannt zurücklehnt, fällt die ganze Anspannung des Tages wie eine trockene Lehmkruste ab und man ist wieder ein neuer Mensch und zufrieden.

 


 

 Danzig - Riga
Am nächsten Morgen packten wir die mitgebrachten Faltkanister aus und füllten diese an der nächsten Tankstelle mit 80 Litern Superbenzin. Am Airport haben wir uns nach der Landung über den Preis für Flugbenzin erkundigt (Euro 1,64 plus Mehrwertsteuer). Außerdem ist der stark verbleite Flugbenzin für unseren Motor sowieso schlechter.
Das Problem bei solchen Aktionen besteht immer nur darin, den Taxifahrer davon zu überzeugen, diese illegale, benzintriefende und stinkende Fracht mitzunehmen. In Polen scheint dies aber normal zu sein. Der Taxler zuckte mit keiner Wimper.
Etwas schwieriger war es dann schon am Flughafen: Es gibt keinen Extraeingang für Piloten. Wir mussten also wie alle Passagiere zur Sicherheitskontrolle. Die grimmigen Beamten, die den Passagieren die Nagelfeilen wegnahmen, staunten nicht schlecht, als wir mit unseren 80 Litern Superbenzin ankamen. Erst wusste niemand, wie nun mit uns zu verfahren wäre und so wurde lange telefoniert. Ihr Arbeitskonzept hatten wir wohl gründlich gestört. Wir warteten geduldig während sich langsam stinkende Treibstoffpfützen in der Abfertigungshalle ausbreiteten.  

 


Ich wurde zunehmend nervöser und beobachtete die Passanten, ob wohl keiner mit einer brennenden Zigarette ankam. Wir würden wahrscheinlich die nächsten Jahrzehnte als Terroristen einsitzen. Dann endlich erschien ein schwerbewaffneter Soldat mit der Aufgabe, uns aufs Rollfeld zu unserem Flieger zu begleiten.  
Draußen angekommen, warteten schon zwei Polizisten und brachten uns zum Flugzeug. Sie beobachteten jeden Tropfen Benzin, bis er in unseren Tanks verschwunden war. Jetzt war nur noch zu klären, wohin es denn gehen sollte. Die nette Dame im General Aviation Center schlug die Hände über dem Kopf zusammen: "St. Petersburg? Unmöglich, da muss man den Flugplan mindestens 5 Tage vorher aufgeben." Nach einem schnellen Blick auf die Landkarte meinten wir: "Na gut, dann nehmen wir halt Riga in Lettland.“
Nur leider hatten wir für die Baltischen Staaten (nebenbei: wie auch für Polen) keine Luftkarten oder Anflugpläne und stöberten daher durch alle Ordner und Unterlagen im GAC. Wir ließen uns einige Kopien anfertigen und bekamen dabei auch unseren Flugplan nach Riga zusammen. War gar nicht so einfach, da uns dieser Flug über 2 Landesgrenzen hinweg rund um Kaliningrad/Russland führen sollte.
Der erste Flugplan wurde postwendend zurückgewiesen. Wir hatten keinen Einflugpunkt in die Kontrollzone Riga angegeben und die Höhe war mit 2000 Fuß zu hoch. Also korrigieren und nochmals mit 1500 Fuß aufgegeben. Und - O.K., wir konnten also starten.

 

 

Reini hatte immer Probleme sich das Kennzeichen zu merken und fand immer wieder Körperteile, auf die er es schreiben konnte.
Kurz nach dem Start forderten wir vom Controller 4000 Fuß an und flogen dann über dem Smog. Die Controller schienen Mitleid zu haben und waren trotz Reinis unverständlicher Stotterei am Funk freundlich. Die meisten seiner 3000 Flugstunden hat Reini im Segelflieger verbracht. Segelflieger sind etwas eigenbrötlerisch und den Umgang mit Luftlotsen nicht gewöhnt. In Wirklichkeit bewundere ich Reini dafür, dass er, obwohl er oft nur die Hälfte versteht und sich nicht einmal das eigene Kennzeichen merkt, sich nicht scheut, den Funk mit zu erledigen.  
Im Norden von Littauen, das wir überflogen, begrüßte uns die Controllerin sogar besonders nett auf Deutsch.  In Lettland wurde uns dann der direkte Anflug zur Piste gestattet, also Einflugpunkt und 1500 Fuß war nur für die Bürokraten. Der Tower gab uns dann den rechten Gegenanflug frei. Nachdem wir einige Zeit über das Verständnis von rechts und links diskutiert hatten, entschieden wir uns natürlich für die falsche Seite.

 


Na gut, meinte der Tower, dann fliegen Sie halt den linken Gegenanflug. Wind am Boden 26 Knoten (50 km/h) fast quer zur Piste. Ich war wieder einmal froh, dass Reini am Ruder saß und zitterte der Landung entgegen. Laut Kennblatt ist unser Flugzeug für Landungen bei Seitenwind bis maximal 11 Knoten zugelassen. In der letzten Kurve erfasste uns eine besonders starke Böe und versuchte das Flugzeug umzudrehen. Nur eine energische Querruderbewegung mit Vollausschlag konnte das verhindern.

 

 

Der Controller am Funk scheint zu ahnen, dass wir keine Anflugblätter und Pläne haben und bietet an, uns den Weg zur Parkposition anzusagen. Erleichtert stimmten wir zu. Auf großen Airports ist es nicht einfach.
Nachdem wir getankt hatten, machten wir uns zu Fuß auf den Weg quer über das Vorfeld. Zwar kamen wir uns etwas komisch vor, als wir an den Terminals vorbeischlenderten. Ich hatte schon das Gefühl, dass das verboten sein könnte. Als ich einen gelb markierten Eingang sah, steuerten wir darauf zu.

Kaum eingetreten, sahen wir nur verstörte und fragende Gesichter. Schließlich sammelte sich einer der Beamten und fragte mich schroff, woher wir denn kämen. Es scheint doch nicht erlaubt zu sein einfach herzukommen. Nachdem ich erklärte, dass wir beide Piloten wären und mit der eigenen Maschine gekommen waren, wurde heftig diskutiert und telefoniert. Schließlich forderten sie unsere Pilotenausweise zu sehen. Diese hatten wir natürlich nicht dabei. Daraufhin brachte man uns mit dem Auto zum Flugzeug zurück, um die Ausweise zu holen.
Nach der Rückkehr zum Büro wurden unsere Pilotenscheine einer ganz genauen Prüfung unterzogen. Es sah so aus, als wollte der Beamte die Scheine auswendig lernen. Doch bald ließ man uns passieren und wir konnten das Gebäude verlassen. Die Verwaltung scheint hier noch etwas russisch zu laufen.
Kaum am Vorplatz staunten wir abermals: alles war rot-weiß- rot beflaggt. Ich sagte zu Reini: ”Hey, die wussten dass wir kommen!” Weit gefehlt - Lettland hat eine ähnliche Nationalflagge wie Österreich.
Gegenüber stiegen wir dann in den öffentlichen Bus und fuhren für einen Groschenbetrag ins Stadtzentrum. Dort bewunderten wir sehr schöne alte Gebäude und die Auswüchse des Kapitalismus.

 

 


 

Riga - Lòd´z
8. September: Mit dem Bus zum Flughafen und nochmals durch die Bürokratenrallye. Im Nachhinein wundert mich nur, dass die nicht daraufgekommen sind, dass wir für Lettland auch noch eine Einfluggenehmigung gebraucht hätten.
Flugplan nach Lòd´z/Polen - alles schon Routine. Wie immer fiel die Entscheidung über das Flugziel erst 10 Minuten vor Abflug. Diesmal hatten wir leider Gegenwind und waren 5 Stunden unterwegs.

 

 

Bei dem starken Gegenwind war ein ruhiges Fliegen nur hoch oben auf 7000 Fuß möglich. Flug und Landung in Lòd´z war soweit ereignislos. Die Leute am neuen Flughafen von Lòd´z waren besonders freundlich und die Abfertigung zuvorkommend. Der Preis für Landung und Abstellplatz war unschlagbar günstig: nämlich umsonst.  
Mit dem Taxi ging es ins Stadtzentrum in die Fußgängerzone. Dort stiegen wir aus und ließen uns vom Strom der Menge mitziehen.
Nach einem umfangreichen Abendessen im besten Lokal nahmen wir uns ein Zimmer im einzigen Grand-Hotel. Reini wollte sich nur mal ein paar Minuten aufs Ohr legen, bevor wir durch die Stadt gehen wollten. Eine Stunde später ging ich alleine. Die Strapazen des langen Fluges zeigten Wirkung.


Heimflug
9. September: Der erste Tag unseres Ausflugs, an dem unser Ziel bereits vorher feststand: Graz. Wieder über zwei Landesgrenzen und gegen Wind und Sonne. Abermals sollte dieser Flug ca. 5 Stunden dauern. Ich war einigermaßen froh, in Graz aussteigen zu können. Reini musste gleich nach Gmunden weiterfliegen.  
Ich konnte mich zuhause entspannt zurücklehnen und das Flugabenteuer revuepassieren lassen. Es erfüllte mich ein Gefühl der Zufriedenheit, dass die Fliegerei in punkto Freiheit und Bewegung das bot, was ich mir erwartete. Überrascht war ich nur wie anstrengend solche Ausflüge sind.

 

 

 

Tschechisch Öserreichische Grenze

 

 

LOWG Graz